Autor und Psychologe Gerald Mackenthun (Berlin)
Autor und Psychologe Gerald Mackenthun (Berlin)

Ist Bürokratieabbau möglich?

Demokratie und Bürokratie gehören zusammen

Gerald Mackenthun (Berlin)

1. Januar 2025

 

Jeder Liberale wünscht sich einen schlanken Staat mit wenigen Gesetzen und Vorschriften. Tatsächlich aber steigt die Zahl der Gesetze, Verordnungen und Ausführungsbestimmungen von Jahr zu Jahr, und das schon seit Langem. Das ist das Ergebnis des Wunsches nach Gleichheit und Gerechtigkeit. Bürokratie ist zugleich eine notwendige Maßnahme, um ungerechtfertigten Vorteilen und Missbrauch vorzubeugen.

Hinter jedem Gesetz, jeder Verordnung und jeder Ausführungsbestimmung steht der nachvollziehbare Wunsch einer Gruppe, eines Verbandes, einer Partei oder einer Regierung. Der Gestaltungswille von Regierungen erzwingt geradezu den Erlass von Gesetzen und Verordnungen, um ein bestimmtes politisches Ziel auf den Weg zu bringen und durchzusetzen. Die Wünsche nach Eingriffen in den Gang der Geschichte kennen keine Grenzen. Je mehr eine Partei oder eine Regierung aus ihrem politischen Programm durchsetzen möchte, desto größer der Verwaltungsaufwand. Dahinter steckt nur selten ein böser Wille.

Treibend ist der Wunsch, etwas zu verbessern, zu erweitern oder hinzuzufügen. Ein Übel oder ein Missstand wird erkannt und benannt und Gegenmaßnahmen und Neuerungen werden in Form von Gesetzen und Verordnungen auf den Weg gebracht, sobald die Machtkonstellation dafür vorhanden ist. Das geschieht auf allen Ebenen, von den Kommunen bis hin zur Europäischen Union und darüber hinaus in multinationalen Vereinbarungen und Verträgen. Immer mehr Ansprüche an den Staat blähen den Bürokratieapparat zwangsläufig auf. Je mehr geregelt wird, desto weniger Schlupflöcher gibt es. Gesetze und Verordnungen müssen eingehalten werden. Das bedeutet, ihre Einhaltung durch staatliche Institutionen oder Schiedsstellen zu überprüfen. Dazu müssen Beamte und Verwaltungsrichter eingesetzt werden. Der Staatsapparat wächst zwangsläufig auch personell weiter.

Die Digitalisierung bringt keine Entlastung, im Gegenteil. Staatliche Aufgaben müssen geregelt werden. Zusätzlich muss jede Digitalisierung einer staatlichen Aufgabe geregelt werden. Das verdoppelt den Regulierungsbedarf, statt ihn zu reduzieren. Die unkontrollierte Nutzung von Daten wurde als gefährlich eingestuft, also wurde der Datenschutz auf den Weg gebracht. Datennutzung führte zu einem ausufernden Regelungswerk mit vielfachen Verboten und Sicherheitsmaßnahmen. Der einfache Nutzer des Internets spürt dies in der lästigen Aufforderung, auf jeder neuen Internetseite Cookies anzunehmen oder abzulehnen.

Die papierlose Behörde bleibt eine Illusion.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 29. Dezember 2024 erschien ein langer Artikel über den Versuch der Ausländerbehörde im Saarland, ihre Aktenbestände zu digitalisieren. Das soll bis Sommer 2026 abgeschlossen sein. Die ersten Überlegungen dazu gab es vor acht Jahren. Warum dauert das so lange? Erst gab es die große Flüchtlingswelle 2015 und 2016, dann der Lockdown der Corona-Pandemie und dann kamen viele ukrainische Flüchtlinge an. Es war kein Personal frei für die Digitalisierung.

Für die Regulierung müssen die Länder Regeln und gemeinsame Standards festlegen. Es gibt keine verbindliche Software für alle Ausländerbehörden. Sofern Software verwendet wird, muss diese an die Bedürfnisse der Behörde, an Schnittstellen, beispielsweise zum Bundesamt für Migration, und das Fallmanagement angepasst werden. Digitalisiert werden sollen 230.000 Akten allein im Saarland. Diese Arbeit muss europaweit ausgeschrieben werden. Dazu müssen Probeakten in die Hand genommen und gescannt werden. Es werden unterschiedliche Papierformate verwendet. Es muss deshalb per Hand gescannt werden, eine stumpfsinnige Arbeit. Die Originale dürfen nicht vernichtet werden! Die Akten werden zum Einscannen zu einem Unternehmen geschickt. Da es sich manchmal um laufende Fälle handelt, müssen die Sachbearbeiter sicherstellen, dass genügend Zeit bis zum nächsten Termin ist. Jede E-Mail muss ausgedruckt und abgeheftet werden. Da es sich um personenbezogene Daten handelt, muss ständig dokumentiert werden, wo die Akte ist. Am Ende des Einscanprozesses muss mithilfe von Stichproben geprüft werden, ob womöglich Unterlagen fehlen. Hatten die Mitarbeiter der Behörde bislang Zugang zu den eigenen Akten im Keller, muss nach der Digitalisierung für die Freigabe und die Einsichtnahme in digitale Akten bei einer anderen Behörde eine Genehmigung eingeholt werden. Das alles sind Gründe dafür, warum die Digitalisierung die Bürokratie nicht vermindert, sondern verdoppelt.

Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit kündigte US-Präsident Trump an, die Bundesbehörden deutlich zu verkleinern. Dazu wurde der Multimillionär Musk angeheuert. Ganz anders derweil in Deutschland. Nach Auffassung des Deutschen Beamtenbundes DBB müssten zusätzlich 570.000 Staatsbedienstete eingestellt werden, um die vorhandenen Aufgaben bequem zu erledigen. Die Personalkosten würden sich auf zusätzlich 3,4 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Hinzu kommen die üblichen Gehaltssteigerungen für alle Staatsangestellten. Aber noch kurz vor Trumps Amtsantritt dämpfte Musk bereits die Erwartungen. Statt 2000 Millionen Dollar einzusparen, würde es vielleicht nur die Hälfte werden, und auch nur, wenn alles nach Plan laufe. Denn nicht Musk und seine Behörde, sondern der Kongress trifft die Entscheidungen.

Hinter Bürokratie stehen konkrete Interessen

Hinter der Bürokratisierung stecken oftmals große Ziele und beste Absichten. Das Lieferkettengesetz zwingt größere Unternehmen zu dem Nachweis, dass ihre Waren nicht durch Kinderarbeit oder Sklaven produziert und dass auch in entfernten Ländern bei der Produktion die Menschenrechte eingehalten werden. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, zertifizierte Spezialisten für Menschenrechte und Umweltverantwortung in ihren globalen Lieferketten einzusetzen. Diese Experten helfen Unternehmen, die Produktionskette zu überwachen und Menschenrechtsverletzungen frühzeitig zu erkennen. Das muss überprüft, kontrolliert und niedergeschrieben werden. Wer würde dem Wunsch, die Menschenrechte auch außerhalb der Europäischen Union zu stärken, widersprechen?

Das Entwaldungsgesetz ist eine Regelung der EU, die zum Schutz von Wäldern und Klimaschutz dient. Es verpflichtet Unternehmen, die bestimmte Rohstoffe wie Holz, Palmöl, Kakao und Kaffee in Verkehr bringen, sicherzustellen, dass diese Rohstoffe nach dem 31. Dezember 2020 nicht auf Flächen erzeugt worden sind, die entwaldet wurden. Dies soll den illegalen Holzhandel reduzieren und die Nachhaltigkeit der Lieferketten garantieren. Agenturen kartieren den Urwald und stellen Zertifikate aus. Die Agenturen wiederum müssen zuvor zertifiziert werden. Die Zertifizierungsstellen für die Zertifizierungsstellen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Sie haben Budgets und Personal.

Die Verordnung 2023/988 zur Allgemeinen Produktsicherheit (General Product Safety Regulation, GPSR) trat im Dezember 2024 in jedem EU‑Mitgliedstaat und damit auch in Deutschland in Kraft. Die Verordnung verpflichtet Hersteller von was auch immer, einen öffentlich zugänglichen Verantwortlichen zu benennen, der es Verbrauchern ermöglicht, Beschwerden einzureichen und über Unfälle oder Sicherheitsprobleme mit einem Produkt zu informieren. Für mich als Verleger bedeutet das, im Impressum eines jeden Buches und in der Listung des Buches im Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) für jedes Buch einzeln den Verantwortlichen (also mich) mit Name und E-Mail-Adresse anzugeben.

Deutschland hat sich verpflichtet, den auf nationalem Boden entstehenden CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Das sogenannte Heizungsgesetz wurde auf die Hausheizung angewandt. Das Gesetz sieht vor, dass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Die Bundesregierung will den Austausch mit fossil betriebenen Heizungen beschleunigen und durch erneuerbare Energien ersetzen. Die Regelungen greifen zunächst nur für Neubauten in einem Neubaugebiet. Funktionierende Heizungen können weiterbetrieben werden.

Kritik am Heizungsgesetz

Überraschenderweise wurden das Gesetz und der federführende grüne Wirtschaftsminister massiv angegriffen. Die eigentlich von allen gewünschte CO₂-Reduzierung spielte dabei keine Rolle, vielmehr wurde moniert, dass das Gesetz Hauseigentümer maximal verunsicherte. Geräuschlos gingen hingegen weitere beschlossene Maßnahmen über die Bühne: alte Holz- und Kaminöfen dürfen nicht mehr benutzt werden, alle Wohnungseigentümergemeinschaften müssen den Zustand ihrer Heizungen bekannt geben, als Vorbereitung auf mögliche spätere Heizungstausche; Vermieter und Verwalter dürfen Belege zur Betriebskostenabrechnung jetzt auch elektronisch bereitstellen; Gewerbemietverträge dürfen auch per Mail verschickt werden; die vorgeschriebene Anzahl an Ladepunkten für E-Fahrzeuge wird erhöht; die Bedingungen für Wohngemeinnützigkeit gelten für einen erweiterten Kreis sozialer Körperschaften; die Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen wird erweitert; das Wohngeld wird um 15 Prozent erhöht (alle Maßnahmen ab 1. Januar 2025). Es können noch so viele vernünftige Gesetze erlassen werden, diskutiert wird nur über das, was schiefläuft. Die Politik hat keine Chance.

Jedes größere Unternehmen muss einen Sicherheitsbeauftragten benennen, einen Behindertenbeauftragten, eine Frauenbeauftragte, einen Datenschutzbeauftragten, einen Brandschutzbeauftragten und weitere Beauftragte für weitere Spezialgebiete. Bei großen Unternehmen sind dies jeweils ganze Abteilungen. Sie haben jährliche Berichte abzuliefern. Auch die Kommunal-, Landes-und Bundesregierungen müssen vielfältige Berichte abliefern: zum Zustand des Waldes, zur Inklusion von Behinderten, zur Einhaltung von Quoten für Frauen in Führungspositionen, zur Einhaltung des Naturschutzes, zum Arbeitsschutz, zur Integration von Ausländern, zur Ausländerfeindlichkeit, zum Rechtsradikalismus, zum Umfang der Kriminalität und dem Erfolg der polizeilichen Arbeit, zur Entwicklung von Ostdeutschland im Vergleich zur alten Bundesrepublik, zum Zustand der Seen und Gewässer und so endlos fort. Mit immer neuen Steuergesetzen sollen Schlupflöcher gestopft werden. Die Zahl der Steuergesetze wurde unüberschaubar, selbst für Experten.

Die vielen staatlichen Wohltaten und Umverteilungsmaßnahmen beruhen ebenfalls auf Gesetzen. Nicht zu vergessen, die bürokratietreibenden Urteile von Gerichten. Irgendjemand klagt immer. Das führt in der Regel zu einer weiteren Verfeinerung von Verordnungen und Gesetzen oder zu neuen Gesetzen. Die Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit bedeutet keineswegs, dass ein Gesetz wegfällt, sondern oftmals eine Neuformulierung mit einem erhöhten Detailreichtum.

Bürokratieentwicklung ist nicht aufzuhalten

Liberale stehen dieser Entwicklung machtlos gegenüber. Es gibt keinen Konsens zum Bürokratieabbau. Im Gegenteil, die Bürokratieverminderung wird von Lobbygruppen und dem politischen Gegner aktiv verhindert. Gegen die kleinste Vereinfachung oder gar Streichung von Vorschriften gibt es Widerstand. Das rituelle Schimpfen auf Bürokratie und Bürokraten zeigt keine Wirkung. Der Wunsch nach Gerechtigkeit erfordert eine ständige Nachjustierung. Die sozialstaatliche Umverteilung von oben nach unten wird nie abschließend zu regeln sein. Immer wieder werden Gerechtigkeitslücken gefunden. Gerechtigkeit und Bürokratie sind Zwillinge. Wer staatliche Leistungen will, muss diese beantragen. Mit einer anlasslosen staatlichen Alimentierung für alle, ohne Bedürfnisprüfung, wird man die Verwaltungsflut eventuell zurückfahren können. Für die Finanzierung eines solchen allumfassenden „Grundeinkommens“ gibt es kein realistisches Konzept.

In Deutschland gibt es einen wenig bekannten Nationalen Normen-Kontrollrat (NKR). Er ist ein seit 2006 gesetzlich verankertes, unabhängiges Expertengremium, das die Bundesregierung berät. Er setzt sich für weniger Bürokratie, bessere Gesetze und eine digitale Verwaltung ein und er soll Impulsgeber für ein modernes Deutschland und eine leistungsfähige Verwaltung sein. Die Klagen wegen bürokratischer Vorschriften nehmen zu, aber es passiert fühlbar zu wenig. Trotz NRK nimmt die Bürokratie zu. Mehr als mahnen kann er nicht. Es sieht nicht danach aus, dass seine Arbeit in Zukunft erfolgreicher sein wird. Es gibt Ansätze durch Bürokratieentlastungsgesetze. Von einer grundlegenden Trendwende kann keine Rede sein. Probleme werden vielfach über neue Regulierungen gelöst. Deutschland scheint immer wieder eine Perfektion anzustreben. Viele Verordnungen kommen zudem aus Brüssel. Aber es ist schlimmer als in anderen Ländern. Das hat auch mit der deutschen politischen Kultur zu tun. Aber auch auf der EU-Ebene müsste angesetzt werden.

Der Normen-Kontrollrat ist seit ungefähr 2015 Teil des regulären Gesetzgebungsprozesses. So wie in einem Gesetzesvorhaben alle irgendwie betroffenen Gruppen und Ministerien einbezogen werden, wird zusätzlich der NKR um Stellungnahme gebeten. Das heißt, die mit dem NKR bezweckte Bürokratierungsverhinderung wird durch eine weitere Bürokratierungsstufe ins Werk gesetzt. Entbürokratisierung durch Bürokratie. Die Pointe besteht darin, dass der Normen-Kontrollrat bislang wirkungslos blieb. Statt Entbürokratisierung gibt es eine Bürokratie-Instanz mehr. Die Gründe dafür dürften dieselben sein, die auch sonst immer schon eine Entbürokratisierung verunmöglicht haben.

Auch die Deregulierung benötigt Behörden

Wegen der gegensätzlichen Interessen innerhalb der Bevölkerung kommt es immer wieder zu Konflikten und Widersprüchen, die Ausnahmeregelungen bedürfen. Eine wachsende Bürokratie ist Ausweis einer funktionierenden Demokratie und hat zugleich die Tendenz, Handlungsspielräume zugunsten von Gleichheit und Gerechtigkeit und zur Linderung von Not einzuschränken. Und was die Bürokratie selbst angeht, gibt es einen Widerspruch zwischen dem Vorwurf, der Staat bleibe untätig oder agiere willkürlich, und dem Schimpfen auf die Regelungswut.

Es bedarf eines enormen Aufwandes, um komplexe Strukturen wie den Freihandel aufzubauen, am Laufen zu halten und zu kontrollieren. Es bedarf eines noch größeren Aufwandes, diese Strukturen friedlich zu entflechten, wie beim Austritt Großbritanniens aus der EU. Auch die Deregulierung benötigt Behörden, Formulare und kleingedruckte rechtliche Erläuterungen. Freiheit ist die Spannung zwischen dem freien Spiel menschlicher Kreativität und den Regeln, die dieses Spiel konstant erzeugt, damit möglichst viele mitspielen können.

Was genau erwarten Bürger und Wirtschaft von einer Verwaltung? Der Widerspruch ist nicht auflösbar. Ausufernde Bürokratie scheint das Gegenmodell zu einem freien Markt zu sein. Da der freie Markt zu Oligopolen tendiert, muss er reguliert werden, um gleiche Chancen im Marktzugang zu gewährleisten. Begann mit dem Siegeszug von Demokratie und Liberalismus die Ära der ungebremsten Bürokratisierung? Bürokratie beinhaltet die Hoffnung auf Effizienz, Transparenz und Gerechtigkeit. Demokratie passt gut in die Sehnsucht nach Ordnung. David Graeber, der als „der bedeutendste Anthropologe unserer Zeit“ vorgestellt wird (Verlagstext), spielt auf der Klaviatur der Apokalyptik: Kapitalismus und Bürokratie seien einen verhängnisvollen Pakt eingegangen „und könnten die Welt in den Abgrund reißen“ (Graeber, 2017). Er ist bekennender Anarchist.

Profitieren nur Kapitalisten?

Graeber sieht die Bürokratie einseitig zugunsten von Kapitalisten wirken. Doch ist der Wunsch nach Gleichheit, Gerechtigkeit und die Sehnsucht nach Ordnung nicht universell? Je genauer geregelt, desto gleicher und gerechter eine Gesellschaft. Für Graeber existieren Staatsapparat und Bürokratie jedoch nur für die Reichen und Mächtigen. Dass Bürokratie die Regeln des freien Marktes festlegt und somit viel mehr Menschen als nur den Reichen und Mächtigen Zugang dazu verschafft, übersieht er in seinem anarchistischen Furor.

Das tatsächliche Leben in regelungsarmen Gesellschaften ist eher enttäuschend. Derartige Versuche lösten sich spätestens nach wenigen Jahren auf. Es wurde zu wenig Geld eingenommen, um Straßen zu reparieren und die kommunale Verwaltung aufrechtzuerhalten. Die Gemeinschaften brachen auseinander und die Experimente wurden im Streit beendet.

Liberstad war ein libertäres Experiment in Norwegen, das eine private Stadt ohne staatliche Regulierung etablieren wollte. Das Ziel war, alle öffentlichen Dienstleistungen durch private Anbieter zu ersetzen. Nach einigen Jahren geriet das Projekt in finanzielle Schwierigkeiten, es gab Streitigkeiten unter den Gründern, und die Infrastruktur blieb notdürftig. Ein ähnliches libertäres Projekt in Chile sollte eine autonome Gemeinde auf Basis der Ideen von Ayn Rand schaffen. Es wurde als sichere Zuflucht für libertäre Kapitalisten und Individualisten beworben. Das Projekt scheiterte an internen Konflikten, Missmanagement und dem Mangel an grundlegender Infrastruktur. Christiania wurde in den 1970er Jahren als autonome, von der Regierung unabhängige Gemeinschaft in Kopenhagen gegründet. Die Idee war, ein alternatives Gesellschaftsmodell zu schaffen, ohne staatliche Eingriffe. Als eines von wenigen Projekten existiert Christiania heute noch, hat viele Herausforderungen durchlebt, darunter finanzielle Probleme, Konflikte mit der dänischen Regierung, Kriminalität und Drogenhandel. Andere Experimente wie die Freigeld-Bewegung in Österreich in den 1930er Jahren waren unfähig, ausreichend Einnahmen zu generieren.

Diese Beispiele zeigen, dass selbstbestimmte Gesellschaften ohne staatliche Regulierung und damit ohne Bürokratie Schwierigkeiten haben, grundlegende öffentliche Dienstleistungen wie Straßenbau, Sicherheit oder Bildung aufrechtzuerhalten. Konflikte, finanzielles Missmanagement und fehlende soziale Kohäsion führen in der Regel zu ihrem Scheitern.

 

Literatur

Graeber, David (2016). Bürokratie: Die Utopie der Regeln. Klett-Cotta: Stuttgart (The Utopia of Rules. On Technology, Stupidity, and the Secret Joys of Bureaucracy, London 2015).

Staun, Harald (2024). Die Grenzen des Sägbaren. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22. Dezember 2024; S. 37.

 
 

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© Gerald Mackenthun, Berlin, Februar 2011

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